[FFA] Internet ist nicht Ziel von Freifunk

Martin Röcker roecker at empty-v.de
Di Apr 29 16:29:30 CEST 2014


Hallo,

als ehemals aktives Mitglied von Freifunk möchte ich hier meine Meinung
dazu mitteilen...

> die mächtigsten Mitglieder von Freifunk Augsburg weigern sich zuzugeben,
> daß das Internet das Primärinteresse der Anwender und Mitglieder sowie
> die Basis der Dienste von Freifunk Augsburg ist. 

Mit den mächtigen Mitgliedern sind vermutlich diejenigen gemeint, die in
Augsburg am meisten Knotenpunkte und/oder Accesspoints betreiben. Mit
anderen Worten, diejenigen die das Freifunk-Netz in Augsburg
hauptsächlich aufgebaut haben. Ich kann mir da jetzt im wesentlichen nur
zwei Personen die gemeint sein müssen vorstellen. Ich beziehe mich auf
diese Personen im weiteren Verlauf dieser Mail immer dann, wenn ich von
'den Mächtigen' spreche. (Der Begriff ist für mein Empfinden
ursprünglich nicht positiv gemeint, weswegen ich ausdrücklich darauf
hinweisen will, das ich ihn eher witzig als negativ meine!)

Ich finde obige Behauptung (die mächtigsten ... weigern sich zuzugeben)
ehrlich gesagt schon etwas dreist. Denn ich bin mir absolut 100%ig
sicher, das es für die Mächtigen auch nicht um freies Internet geht
sondern um das Mesh-Netzwerk an sich. Technikfreaks halt. Sie (die
Mächtigen) haben sich durch ihr Mesh-Netzwerk ein enormes Know-How
angeeignet... Bin ich manchmal schon neidisch :-)

> Es wird argumentiert, daß der Zugang zu einem Punkt-zu-Multipunkt
> Netzwerk das Hauptziel der Organisation ist, und Internet aktiv
> nicht dazugehört.

2006 hab ich mich mit einem der Mächtigen getroffen und wir haben einen
Accesss-Point auf dem Hotelturm installiert. Schon damals hat er mir
seine Intention, ein eigenes Mesh-Netzwerk aufzubauen mitgeteilt.
Internet war nicht das Ziel. Zugegebenermassen waren wir auch nicht
bereit das Risiko einzugehen, juristischen Ärger zu bekommen. Die
Rechtslage war einfach zu unsicher. 

> Bestrebungen, beim Internetzugang Verbesserungen oder Fördermittel 
> zu erreichen, werden nicht unterstützt. 

Unterstützung habe ich stehts erhalten wenn ich Hilfe bezüglich OpenWRT
oder der Einrichtung eines Access-Points benötigt habe. Das erworbene
Know-How wurde von den Mächtigen stehts geteilt und so wurde ich bei
Problemen bis spät in die Nacht hinein im online-chat unterstützt. 
Das ganze ging weit über normale Freifunk-Themen hinaus. Auch Fragen
bezüglich Firewall-Konfiguration oder anderer Netzwerk-Themen wurden mir
stets bestmöglich beantwortet. 

Aber nicht nur das, mir wurde auch vor Ort geholfen, wenn ich einen
Access-Point geschrottet habe und man zum Lötkolben greifen musste, oder
ein serielles Kabel gebraucht habe.
Mir wurde also eine sehr große Hilfsbereitschaft entgegengebracht, die
ich nicht für selbstverständlich halte.

Sie schreiben jetzt, dass Sie bei Ihrer Bestrebung Fördermittel zu
erreichen nicht _unterstützt_ wurden. Kann man so eine Unterstützung
denn fordern oder verlangen? Ich glaube nicht. 
Wichtiger erscheint mir aber, ab man bei seiner Bestrebung Fördermittel
zu erreichen, blockiert wird. Dazu schreiben Sie:

> Von einzelnen wird eine Blockadepolitik verfolgt, die von den anderen
> Mitgliedern zumindest geduldet wird, (...)

Ich muss zugeben das mich diese Aussage jetzt schon verwundert. Nicht,
das es andere gibt die eine Blockadepolitik dulden, sondern das von den
Mächtigen eine Blockadepolitik betrieben wird. Das hört sich für mich so
an:

neuling: Ich würde gerne einen Access-Point auf mein Dach schrauben und
         das Internet für alle freigeben
mächtiger: Nein, tu das nicht! Wir wollen keinen Internetzugang. Und wenn du
           es doch machst, bekommst du von uns zumindest keine Hilfe
           wenn du Probleme hast
neuling: Ok :-(

Den Dialog nicht zu ernst nehmen, aber es klingt wirklich so als ob
die Mächtigen aktiv gegen einen Internetzugang sind. Ist das wirklich
so? (Frage auch an die Mächtigen) Oder ist es eher so, das Sie dabei
nicht aktiv unterstützt werden?

Ich hätte jetzt eher erwartet dass wenn Sie sagen "ich will meinen
Internetzugang freigeben", dass Ihnen bei Konfigurationsfragen sogar
geholfen wird.

> (...) um das eigene Ziel ("Ich will ein
> riesiges Punkt-zu-Multipunkt und kein Internet, auch wenn das alle
> Anwender wollen und nur das machen.") über das Ziel der Anwender und
> neuer Mitglieder zu stellen. 

Da halt ich mich eher raus, denn das klingt gemein :-(

> Zudem ist in allen Freifunk-Communitys,
> mit denen ich bisher gesprochen habe (z.B. auf der letzten Easterhegg
> in Stuttgart), der Konsens vorhanden, daß der Transport von Internet
> der Hauptanwendungszweck ist und somit eines der Primärziele von
> Freifunk sein muß.

Beim Berliner Freifunknetz war auch der Hauptanwendungszweck
Internet-Zugang zur Verfügung zu stellen. Damals hat die Telekom für die
sogenannten OPAL-Gettos gesorgt. OPAL steht für "OPtische Anschluss
Leitungen". Die haben Glasfaser verlegt statt Kupferkabel. Nur ging da
leider kein DSL mit. War halt nicht die Technik von Morgen sondern von
Übermorgen. Freifunk war da für viele die einzige Möglichkeit ins
Internet zu kommen. Das Freifunk-Netz ist aus der Not heraus so riesig
geworden. Hier hatten wir die Not nie...

Die Aussage, Internet _muss_ der Hauptandwendungszweck für Freifunk sein, 
halte ich für falsch. Es heisst ja "Frei"-Funk. Da kann doch jeder
machen was er will. Im Wikipedia-Artikel habe ich auf die schnelle
nichts gefunden was diese Aussage untermauert. Auf freifunk.net steht
nur im zweiten Absatz: 

  ,,Viele stellen zudem ihren Internetzugang zur Verfügung und ermöglichen
  anderen den Zugang zum weltweiten Netz''

> Um den Irrsinn komplett zu machen, wird dennoch das Thema Internet als
> zentraler Anker in allen Aktivitäten und sogar weit überwiegend auf
> dem Blog verfolgt. 

Schick dazu mal bitte ein paar Links, ich hab mir gerade nur nochmal die
Hauptseite durchgelesen und konnte da nichts dazu finden.
OK, da steht als letzter Punkt "und die gemeinsame Nutzung eines
Internetanschlusses durch mehrere Teilnehmer." Aber das kanns ja wohl
nicht sein was du meinst.


Begleiter über den er ins Internet kann. Mittels Tethering kann man so
auch mit dem Laptop ins Internet. Warum soll ich meine Daten über ein
öffentliches WLAN-Netzwerk schicken, wenn ich das sicherer und
akkuschonender über mein Smartphone kann?

> Dennoch werden potentielle neue Mitglieder durch
> Internet ablehnendes Verhalten verscheucht ...

Erneut meine Bitte um ein konkretes Beispiel. Was ist das Internet-
ablehnende Verhalten? Was ist da genau passiert? 

> ... indem ihnen die ach so
> tollen Vorteile von einem Punkt-zu-Multipunkt zwangsweise reingepreßt
> werden. 

Moment. Das Internet ablehnende Verhalten ist, dass die Vorteile von
einem Punkt-zu-Multipunkt Netzwerk genannt werden? Versteh ich das
richtig? Ich versuch mir gerade jemanden vorzustellen, der etwas nicht
kauft, weil es noch andere Vorteile hat, als die, weswegen er
ursprünglich daran interessiert war.

> Auch sollen schnelle Verbindungen, die normalerweise nur ohne
> Punkt-zu-Multipunkt Verbindungen möglich sind, nicht das Ziel sein.

Die mächtigen bauen also keine schnellen Richtverbindungen mehr auf. Die
hatten wir übrigens schon. War teuer, zeitraubend, und hat nichts
gebracht. 

> Hier gehen weitere potentielle Mitglieder verloren. 

Wir verlieren Mitglieder weil wir keine schnellen Punkt-zu-Punkt Verbindungen
haben? 

> Ein Projekt daß sich als Gemeinschaftsprojekt versteht kann nicht einfach das
> Engagement einzelner ablehnen um egoistische Ziele durchzusetzen. 

Da hast du Recht. Das kann es nicht. Das tut es aber auch nicht. Es
hindert dich keiner daran, schnelle Richtverbindungen aufzubauen und
deinen Internetzugang freizugeben. Ich glaube du bekommst sogar
Unterstützung wenn du fragen dazu hast.
Du kannst ja auch fragen ob jemand mit dir auf irgendwelche Dächer
steigt. Verlangen kannst du es nicht. Und du musst die Verantwortung
dafür übernehmen das im Falle eines Blitzschlages nicht das Haus
abbrennt, und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bleiben. Wir hatten
schonmal Besuch von der Bundesnetzagentur. Die kamen bei uns schonmal
vorbei. Wir mussten mit denen auf die Dächer steigen und die messen das
dann nach...

Ich will damit sagen: Tu was du tun willst, es ist ein freies Netz, aber
mach niemandem Vorwürfe wenn er dir nicht helfen will.


> Ich möchte nicht weiter meine Zeit und Fähigkeiten in solche ein
> egomanisches und irrationales System stecken, genauso wenig Interesse
> habe ich allerdings ein Parallelprojekt zu starten. Im Open-Lab haben
> sich bereits einige Leute gefunden, die das Problem genauso sehen und
> mehr oder weniger um das derzeitige Augsburg Freifunk mit ähnlichem
> Unverständnis und Abstand aktiv sind. Hier werde ich mich weiter
> einbringen, und demnächst hoffentlich auf Freifunk Augsburg
> unabhängige Infrastruktur zugreifen können. 

Was ich da nicht verstehe. Du sagst: "genauso wenig Interesse
habe ich allerdings ein Parallelprojekt zu starten". Wie möchtest du
dann "demnächst hoffentlich auf Freifunk Augsburg unabhängige Infrastruktur 
zugreifen können"? 

> Meine und die Erfahrung anderer zeigt, daß technisch ein großes
> Punkt-zu-Multipunkt Netzwerk nicht sinnvoll ist, da hierzu die
> einzelnen Knoten im sogenannten "Ad-Hoc" oder "BSS" Modus laufen
> müssen und hier unkoordiniert (im Gegensatz zum Managed-Modus) funken.

Bei deiner Aussage "Ein großes Punkt-zu-Multipunkt Netzwerk ist nicht
sinnvoll" fehlt das _wofür_. Das Berliner Mesh-Netzwerk war (ist?) das
Größte der Welt. Sag denen doch mal die sollen das umstellen...

> Aus diesen Gründen hat sich in der Freifunk-Community etabliert 
> Backbones mit Richtfunkstrecken zu bauen (...)
> Die Realität bei Freifunk Augsburg sieht derzeit so aus, daß die
> existierenden Systeme fast alle nur über ein Internet-VPN verbunden
> und über Funk keine Partnersysteme sehen können. 

Hmm, könnte das vielleicht daran liegen, dass sich die wenigen
Teilnehmer nicht "sehen" können? 
Was spricht denn dagegen die einzelnen Netzwerk-Segmente über
Internet-Backbones zu verbinden wenn man keine Richtfunkverbindung
aufbauen kann (da z.B. ein Haus im Weg ist)?

Ok, es handelt sich nicht um "Funk", aber ganz ehrlich, das ist doch
albern...

Du hattest geschrieben das sich im OpenLab noch einige gefunden haben,
mit denen du dein Ziel verwirklichen willst. Für mich als
Aussenstehenden, kannst du mir deine Ziele sagen, und wie du diese
erreichen willst?


> Der Undank seitens der besagten
> mächtigsten Mitglieder von Augsburg Freifunk, qualitativ hochwertiges
> Internet anzubieten, ist hochgradig irrational.

??? 

Gruss,
Martin 'Monkey' Röcker

-- 
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  dance as if nobody is watching
  sing as if nobody is listening
  live as if your little cat has not died


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